Kunstcamp 2018: „Re-Move“

2020

Im September des Jahres 2018 war ich auf das achte Kunstcamp der Baden- Württembergischen Jugendkunstschulen „Re–Move“ in Leutkirch im Allgäu eingeladen. Das Event findet einmal jährlich statt und wird immer von einer anderen Jugendkunstschule ausgetragen. Dort gibt es dann eine Woche lang verschiedene Workshops in Bereichen wie Analoger Fotografie, Comic, Radierung oder Performance. Ich habe mich für Akt-Zeichnen entschieden. Vier volle Tage haben wir, unter Leitung von Elisabeth Sauterleute, gelernt, den entblößten menschlichen Körper abzubilden. Weiter gab es einen Besuch bei der Firma „Pigmente Kremer“, abgerundet wurde das einwöchige Kunstcamp mit einer Ausstellung im Rathaus Leutkirch.

Nach der Ankunft mit dem Zug wurden wir am Bahnhof von einigen Mitgestaltern abgeholt und zu unserer Unterkunft gebracht: Einem Zentrum für Yoga, Ayurveda und Reiten, der „Allgäu Finca“. Dort gab es Pferde, schöne Häuser, ein märchenhaft anmutendes Türmchen und ein bewohnbares Gewächshaus. In diesem ungewöhnlichen Raum haben wir, auf Isomatten und in Schlafsäcke eingepackt, genächtigt. Ab und zu hüpfte ein Frosch durch das Bettenlager oder es bahnten sich ein paar Wassertropfen ihren Weg durch die Decke, doch abgesehen davon, war der Aufenthalt recht gemütlich. Jeden Morgen marschierten wir nach Leutkirch, wo wir uns, nach einem Frühstück im Jugendhaus, auf die jeweiligen Arbeitsplätze verteilten.

Schnell stellte sich heraus, dass ich mir den absolut richtigen Workshop ausgesucht hatte. Zu Anfang jedes Tages haben wir uns aufgewärmt. Schnelle Posen, schnelle Skizzen. 10 Sekunden, 20 Sekunden, 40 Sekunden, eine Minute, zwei Minuten. Am Anfang ist es mir ein bisschen auf den Keks gegangen, das doofe Gekritzel. Von Bild zu Bild wurde ich frustrierter, da nichts, aber wirklich gar nichts einer realistischen Abbildung des menschlichen Körpers auch nur nahe kam. Nach einer Stunde kam dann die Erlösung: Wir erhielten ganze fünf Minuten für eine Figur. Na toll, dachte ich … Doch was ich dann erleben durfte, war wirklich sehr erstaunlich … Holla die Waldfee, wie das auf einmal lief! Ohne zu zögern zeichnete ich darauf los. Ich zeichnete schneller und besser, als jemals zuvor. Allmählich kam ich auf den Geschmack. Wie es mich fesselte, in 20 Minuten Bilder zu zeichnen, die ich mir vorher in zwei Stunden nicht zugetraut hätte, kann man sich wohl vorstellen.

Am ersten und zweiten Tag haben wir nur gezeichnet, meistens mit Bleistift, manchmal mit Kohle. Am dritten Tag durften wir dann endlich Leinwände bespannen und die Pinsel sprechen lassen. Ich habe mehrere skizzenhafte Detailbilder von verschiedenen Körperstellen und Modellen angefertigt. Gemalt haben wir mit Acryl, einer Farbe, die ich eigentlich nicht besonders schätze, aber in der Not frisst der Teufel… Naja, wie dem auch sei.

Am selben Abend machten wir etwas sehr Interessantes. Es nannte sich „Abend-Dämmerung-Malen“ – oder so ähnlich. Vor dem Sonnenuntergang begaben wir uns an einen Ort, an dem wir unsere Staffeleien aufbauten. Als das Akt-Modell seine Pose einnahm, war die Sonne bereits hinter den Hausdächern verschwunden. Nun begannen wir mit dem Malen. Die Farben waren nicht mehr erkennbar – an Details war nicht zu denken. Dieses Erlebnis – mit nur einem geringen Teil der gewöhnlichen Sehkraft zu arbeiten – war hoch interessant. Die Bilder waren in ihrem Ergebnis sehr expressiv.

Mein persönliches Highlight des Kunstcamps war der letzte Tag: Endlich erhielt ich die Erlaubnis mit Ölfarben zu malen. Die Art und Weise, wie ich gelernt hatte, meinem Auge und meinen Händen zu vertrauen, beeindruckte mich zutiefst. Bisher in dem Glauben für Ganzkörper-Bilder Tage mühsamer Feinarbeit zu benötigen, stellte ich fest, dass bereits binnen weniger Stunden ansehnliche Ergebnisse erzielt werden können. Für das dargestellte Bild benötigte ich eine Stunde und 20 Minuten.

Am Mittwoch haben wir besagte Pigment-Firma besucht. Diese lag sehr idyllisch an einem Bach mit alter Mühle und war von einer Wiesenlandschaft umgeben. Draußen waren bereits Tische aufgebaut, auf denen sich Proben verschiedenfarbiger Steine befanden. Uns wurde erzählt, dass aus einigen dieser Steine nur minimale Adern benutzt werden können, um einen ganz speziellen Blau- oder Rotton herzustellen. Ein kleines Fläschchen kann schnell mal mehrere hundert von Euro kosten.

Mit einem Teil der Gruppe wurde ich durch das Innere der Farbfabrik geführt. Dort befand sich kleine Kiste mit der Aufschrift „Rubine“. Etwas zaghaft fragte ich nach, ob da wirklich Rubine drin seien. Ja, hieß es, das sei eine Kiste, gefüllt mit kleinen, unbehauenen Rubinen. Ich lernte, dass Rubin als Künstler-Pigment absolut ungeeignet sei, es aber doch Menschen gebe, die einen Spleen für das wertvolle Pulver hätten und sich gerne einmal ein Fläschchen davon in den Schrank stellten.

Den Abschluss bildete unsere Ausstellung im Leutkirchner Rathaus. Gemeinsam mit einem gelernten Zimmermann, der gleichzeitig auch unser Akt-Modell und abendlicher DJ war, habe ich ein rundes Lattenkonstrukt gezimmert, an dem unsere Bilder präsentiert wurden. Es gab einige Reden und man reichte, wie sich das für eine Vernissage gehört, Sekt. Der Abend war gut besucht und es wurde viel geschaut, getrunken und geredet.

Auf dem Kunstcamp habe ich viele tolle und talentierte Menschen kennen gelernt, mit denen ich teilweise bis heute in lockerem Kontakt stehe. Meine Zeit dort, insbesondere die vier Tage Zeichenunterricht, haben mir gezeigt, wie effektiv Lernen unter professioneller Anleitung sein kann. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich mir das Malen weitestgehend selbst beigebracht. Nach all dem Erlebten, war meine Idee, Malerei zu studieren, einem Entschluss bedeutend näher gekommen.

1 Kommentar

  1. Niko

    Erinnert mich ein bisschen an Ernst Ludwig Kirchner

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